Das Wetter wird schöner. Mein E-Bike ist gerichtet und wartet auf die Ausfahrt am Vatertag. Die Tennisplätze im Freien haben geöffnet und ein Freundschaftsspiel sowie die Sommerrunde stehen vor der Tür.
Da meine ich, beim ersten Tennisdoppel in diesem Jahr unter freiem Himmel, ehrgeizig zum Ball zu sprinten. Fokussiert auf die gelbe Kugel. Und übersehe völlig meinen Doppelpartner, der ebenso motiviert von der Grundlinie daher rauscht. Der Kontakt meiner Schulter mit seinem Rumpf ist nicht zu überhören und das Krachen zwischen meinem Schlüssel- und Brustbein vernehme ich sofort deutlich und mit einer gehörigen Portion Schmerz.
Das ist mal so richtig dumm gelaufen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Doppelpartner blieb Gott sei Dank heil. Ich dagegen ziehe es am nächsten Tag vor, die Notfallaufnahme der BG Klinik Tübingen in Anspruch zu nehmen. Warten gehört dort zur Hauptübung. Aber es wird eifrig getestet, mit Röntgen und CT geforscht, was beim Bodycheck alles auf der Strecke blieb.
Ich denke mir: „Alles halb so schlimm“. Wenn ich das gute halbe Dutzend sehe, die ihren Samstagmittag mit harter Arbeit im Wald oder Garten begannen, und sich dann die Zeit mit mir in der Notaufnahme teilen. Die meisten von ihnen mit einem in die Höhe gestreckten Arm. Oft unter den dicken Verbänden einen Finger weniger, als in den Anatomiebüchern beschrieben. Auch ein 16-monatiges Kind wird gerade von seinen Eltern hergefahren. Konstanzer Autokennzeichen. Es hatte wohl einen Unfall und auch hier muss ein kleines Fingerchen angenäht werden. Die Odyssee führte sie über die Erstaufnahmeklinik in die überfüllte Handchirurgie Schwenningen und von dort in die BG Klinik TÜ. Hier seien noch Kapazitäten frei. Schön zu sehen, dass die Dame an der Anmeldung das Kind im Arm des Vaters – in Arbeitsklamotten und ohne Schuhe, die er vor lauter Sorge um sein Kind im Auto vergessen hat – vorzieht und kein anderer Patient meckert. Da geht es mir doch gleich wieder besser.
Nach fast 4 Stunden ist es raus. Das Ende meines Schlüsselbeins hat sich den Weg aus der gelenkigen Verbindung zum Brustbein gesucht. Der enorme Schub zweier wohlgewichtiger Sportler im Vollsprint ließ die Bänder einfach einreißen und das Schlüsselbein blitzartig aus dem Gelenk springen. Nein, nicht wie bei den meisten nach vorne. Der Unfallhergang ließ nur ein „nach hinten-oben“ zu. Die Sensibilitätsstörungen am Hals und das einseitige Klosgefühl brachten den behandelnden Arzt früh auf diese Spur.
So kommt es nun, dass ich in dieser Woche schlechten Gewissens meine Patienten versetzen muss und unruhig Zuhause sitze. Die verschriebenen Schmerzmedikamente benötige ich so gut wie nicht mehr. Die Heilung geht in großen Schritten voran. Aber das Problem ist eben zum Nichtstun zu gering und zum Arbeiten zu heftig. Die blassen Aussichten des behandelnden Arztes waren 6 Wochen Ruhigstellung mit einem speziellen Verband. Standards eben. Ich werde ihm beweisen, dass ich nächste Woche (also nach 9 Tagen) mit der nötigen Vorsicht wieder auf der Matte stehe. Wetten dass?
Update:
Wie angekündigt, war ich – nahezu ohne Einschränkungen – diese Woche wieder arbeiten. 5 Wochen früher als der behandelnde Arzt das für möglich gehalten hat. Ohne Ruhigstellung, dafür habe ich mich selbst mit Physiotherapie behandelt: TENS, gezielte Bewegungsübungen, Kinesio-Tape und Eukalyptus-/Sandelholzöl. Und ganz wichtig: der Verletzung entsprechend die nötige Sorgfalt walten lassen. Es läuft!
Update:
Heute, 6 Wochen nach meiner traumatischen SC-Gelenk-Subluxation (posterior/retrosternal, Grad II mit vollständigem Riss des Lig. sternoclaviculare und Partialruptur der Gelenkkapsel), habe ich das erste mal wieder einen Tennisschläger in der Hand gehalten und eine knappe Stunde trainiert. Die maximale Schlagintensität war in etwa bei 60% und das Aufschlagen brachte noch etas Unbehagen mit sich. Aber es geht aufwärts. In der Zwischenzeit war ich durchgehend arbeiten und fuhr auch schon seit 3 Wochen wieder mit dem E-Bike über Stock und Stein.